MalteserMagazin 2/15 - page 7

Malteser
magazin
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Palliative Care
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Lebensqualität schaffen und
Lebenswünsche erfüllen
Was Palliativmedizin kann und wie sie ar-
beitet, schildert Dr. Rainer Sadra, Ärztli-
cher Direktor der drei Malteser Kranken-
häuser in Duisburg und Uerdingen sowie
Chefarzt für Anästhesie und Palliativmedi-
zin: „Wir hatten einen Patienten, der aus
dem ehemaligen Jugoslawien stammte und
den Herzenswunsch hatte, nochmal in seine
Heimat zu kommen und seine Verwandten
zu sehen. Wir haben ihm einen Katheter
für Schmerzmittel, den er selbst bedienen
konnte, an die entsprechende Stelle im Ner-
venstrang der Wirbelsäule gesetzt. Damit
und mit einigem anderen haben wir ihn
flugfähig gemacht, und so ist er geflogen
und glücklich wieder nach Deutschland
zurückgekommen.“
Wo Heilung nicht mehr möglich ist, setzt
Palliativmedizin die ärztliche Kunst so in-
tensiv und in so kurzer Zeit wie möglich
ein, um die Lebensqualität der Patienten
zu verbessern und sie Lebensziele noch er-
reichen zu lassen. So etwa bei einem Mann
mit sehr schmerzhaften Knochenmetasta-
sen. „Wir haben die Metastasen bestrahlen
lassen, um die Schmerzen zu nehmen“, be-
richtet Sadra, „eine Heilung konnten wir
damit nicht bewirken“.
„Palliativkompetenz ist eine Grundkompe-
tenz jeden ärztlichen Handelns“, ist der
57-jährige Palliativmediziner aus Leiden-
schaft überzeugt, der das Malteser Hospiz-
zentrum Rhein-Ruhr leitet, zu dem auch
das Malteser Hospiz St. Raphael gehört.
Zugleich betont er die Vernetzung der vie-
len in der Palliativarbeit zusammenwirken-
den Berufsgruppen: „Wir sind ein großes
Ganzes mit ganz flacher Hierarchie und
arbeiten alle auf Augenhöhe.“
Der Patient ist es, der steuert
„Palliativmedizin heißt nicht nur, besser
sterben, sondern vor allem besser leben zu
können“, ergänzt Dr. Hermann Ewald, um
ein weit verbreitetes Missverständnis zu
korrigieren. Der 58-Jährige ist Ärztlicher
Leiter des Katharinen-Hospizes am Park in
Flensburg, das die Malteser gemeinsam mit
der Evangelisch-Lutherischen Diakonissen-
anstalt betreiben. Fast die Hälfte der hier
stationär aufgenommenen Patienten wird
wieder entlassen und dann weiter ambulant
versorgt. „Das Verhältnis zwischen statio-
när und ambulant betreuten Patienten ist
etwa eins zu vier“, berichtet der Palliativ-
mediziner aus der Arbeit des Hospizes, das
als Palliativstation und Zentrum vielfältiger
stationärer und ambulanter Dienstleistungen
für Sterbende und ihre Angehörigen wirkt.
Jeder gesetzlich Krankenversicherte hat üb-
rigens Anspruch auf die „spezialisierte am-
bulante Palliativversorgung“ (SAPV), eine
Leistung seiner Krankenkasse, aus der ihm
keine Kosten entstehen. Selbst Menschen
mit hohem medizinischem Versorgungsbe-
darf können in ihrer vertrauten Umgebung
bleiben. Das macht die Palliativmedizin
mit einer jeweils genau angepassten Medi-
kamentierung möglich. „Zusätzlich entwi-
ckeln wir mit den Angehörigen einen Stu-
fenplan, wenn sich der Zustand ändert“,
schildert Ewald die Absicherung zu Hause.
Für besondere Ereignisse gibt es einen Not-
fallplanundeine24-Stunden-Rufbereitschaft.
Im Zentrum von Palliative Care stehen die
Wünsche und Bedürfnisse des Patienten.
„Der Patient ist derjenige, der steuert“, be-
tont Ewald. „Unsere Aufgabe ist es, behut-
sam herauszufinden, was die Patienten
brauchen und worüber sie sich vielleicht
freuen würden.“ Viele Patienten erfahren
hier das erste Mal, dass nicht die Krankheit
restlos über sie bestimmt, sondern dass es
wichtig ist, was sie selbst wollen. Und seien
es auch noch so winzige Kleinigkeiten. Das
tut ihnen rundum gut, und daher ist der
Erhalt der Selbstbestimmtheit ein wesentli-
ches Ziel von Palliative Care.
Das Nichtmedizinische, das heißt die psy-
chosoziale und seelische Seite, macht ei-
nen großen Teil der Palliativarbeit aus. Das
gilt auch für die Angehörigen, insbesondere
bei der ambulanten Versorgung. „Wir spre-
chen mit ihnen und ermitteln dabei, was
sie können und vor allem, wo ihre Grenzen
sind.“ Sind diese erreicht, kann eine statio-
näre Aufnahme helfen. Ewald betont:
„Wenn ein sich aufopfernd pflegender An-
gehöriger sagen darf, ich kann nicht mehr,
kann das enorm entlastend wirken, für alle
Beteiligten.“
Christoph Zeller
Dr. Rainer Sadra ist Ärztlicher Direktor der drei
Malteser Krankenhäuser in Duisburg und Uerdingen
sowie Chefarzt für Anästhesie und Palliativmedizin.
Dr. Hermann Ewald ist Ärztlicher Leiter des
Katharinen-Hospizes am Park in Flensburg.
Foto: Andreas Köhring
Foto: Johanna Ewald
„Palliativmedizin heißt nicht nur, besser sterben,
sondern vor allem besser leben zu können“
Dr. Hermann Ewald
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