IX.I Malteser Magazin 4/22 Wie sieht die tägliche Arbeit einer Schulbegleitung aus? Ein Interview mit der Schulbegleiterin Marietta Guth aus dem Raum Bodensee Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter der Malteser betreuen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit geistiger, körperlicher oder (drohender) seelischer Behinderung in ihrem Alltag. Sie unterstützen diese in Schulen, Kindergärten und Kitas, sodass sie ihren Tagesablauf möglichst selbstständig meistern können. Ihre Unterstützung wird ganz individuell festgelegt, je nachdem was die Kinder und Jugendlichen benötigen, und sie erfolgt im Einklang mit den Vorgaben der Kostenträger. Die Schulbegleiterin Marietta Guth berichtet von ihren Erfahrungen. Wo begleiten Sie? Marietta Guth: Ich bin seit diesem Jahr in der Schule St. Franziskus in Ingerkingen. Davor war ich gemeinsam mit meinem Schützling im Körperbehinderten-ZentrumOberschwaben in Biberach. Seit Februar 2020 betreue ich dasselbe Kind. Warum benötigt das Kind eine Schulbegleitung? Guth: Das Kind tat sich in seiner alten Schule sehr schwer dem Unterricht zu folgen. Es war frustriert und äußerte diese Frustration auch in Aggressionen. Es benötigte aber auch Hilfe beim An- und Ausziehen seiner Jacke und seiner Schuhe und anderen lebenspraktischen Tätigkeiten. Zu dem Zeitpunkt als ich kam, hatte das Kind weder Lust in die Schule zu gehen noch am Unterricht teilzunehmen. Wie sieht Ihre tägliche Arbeit aus? Guth: Ich komme morgens zu Schulbeginn in die Klasse. Als ich angefangen habe, als Schulbegleitung zu arbeiten, benötigte das Kind noch eine schrittweise Anleitung, um die Jacke und Straßenschuhe auszuziehen und anschließend die Hausschuhe anzuziehen. Dies setzte sich über den gesamten Schulalltag fort. Alles musste in kurzen Anweisungen und meistens unter Anleitung besprochen und ausgeführt werden. Wurde zu viel auf einmal verlangt, konnte das Kind die Aufgaben nicht erledigen. Im Laufe der letzten Jahre habe ich gemeinsammit dem Kind daran gearbeitet und es ist nun in der Lage, Arbeitsschritte auch ohne 1:1 Betreuung und ohne ständige Anleitung selbstständig zu erledigen. Ich kümmere mich aber auch um ganz einfache Dinge, wie den Haargummi neu festzuziehen (motorisch sehr schwer für das Kind umzusetzen) oder die Nase zu putzen. Und Gesprächspartner für das Kind ist man selbstverständlich auch. Bei Problemen oder Ängsten ist man als Schulbegleitung, aufgrund der engen Bindung zueinander, die ersteAnsprechperson und agiert auch immer etwas als Problemlöser des Kindes. Ist der Schultag dann geschafft, verabschiede ich mich meistens mit einer kurzen Reflexion des Tages, was wir versuchen sollten, am nächsten Tag besser oder zumindest anders zu machen. Gibt es besondere Herausforderungen? Guth: Jeder Tag ist aufs Neue eine kleine Herausforderung, denn die Stimmung des Kindes entscheidet weitestgehend, was und wie viel am jeweiligen Tag überhaupt gearbeitet werden kann. Es gab auch schon Tage, an denen das Kind einfach nicht arbeiten konnte und selbst mit seinen Gefühlen überfordert war. Das sind meistens die anstrengendsten Tage, an welchen man sich dann gemeinsam mit dem Kind auf Spurensuche nach der Herkunft der eigenen Gefühle begibt. Gab es Situationen in Ihrer Arbeit, an welche Sie sich immer noch sehr gerne erinnern? Guth: An sich ist jeder Tag sehr schön, denn ich arbeite mit einem sehr humorvollen Kind zusammen. Wir lachen oft und machen Späße. Was möchten Sie uns/den Lesern sonst noch mitteilen? Guth: Kinder können viel erreichen, wenn wir Erwachsene ihnen mehr zutrauen und sie einfach mal ausprobieren lassen. Interview: Andrea Kohl (Oktober 2022) Yvonne Hartmann (r.), Bernhard Alder und Eva Ermer (l.) im Gespräch mit Schulbegleiterinnen Rechts: Schulbegleiterin Marietta Guth mit ihrem Schützling Fotos: Malteser
RkJQdWJsaXNoZXIy NDEzNzE=