Malteser Magazin 03/2022

D er Deutsche Caritasverband feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. Die Entwicklung der Caritaslandschaft in Deutschland liest sich wahrlich wie eine Erfolgsgeschichte. Als Zusammenschluss von mehreren Hundert rechtlich eigenständigen Trägern mit fast 700.000 hauptamtlich und rund 500.000 ehrenamtlich Mitarbeitenden in unzähligen Diensten und Einrichtungen ist der Verband aus dem deutschen Sozialgefüge nicht mehr wegzudenken. Es war der katholische Priester Lorenz Werthmann, der den Verband 1897 in Köln gründete und damit auf das Elend und die sozialen Nöte seiner Zeit reagieren wollte. Im Lauf des 19. Jahrhunderts hatten sich zahlreiche katholischkaritative Vereine gebildet, denen es jedoch an Schlagkraft und Durchsetzungsfähigkeit fehlte. Diese zu bündeln und der Zersplitterung der katholischen Hilfsangebote entgegenzuwirken, war das Kernanliegen Werthmanns. Es ging ihm zum einen um eine professionellere Hilfe, um die Stärkung der Fachlichkeit der sozialen Arbeit, und zum anderen um das politische Engagement, um „Solidaritätsstiftung und Herzensbildung in der Gesellschaft“, wie er es nannte, durch eine katholische Sozialbewegung, die mit einer Stimme spricht. So sah er die Kirche in der Verantwortung, an der Gestaltung des Sozialstaates mitzuwirken und für die Rechte von benachteiligten Menschen einzutreten. Werthmann begriff die Caritas nie losgelöst, sondern immer als einen festen originären Teil der Kirche. Denn die Caritas gehört neben der Liturgie und der Verkündigung zu den Wesensäußerungen von Kirche in der Welt. So ist es die Aufgabe der Kirche (und der Christen), von der Frohen Botschaft Zeugnis zu geben und den Glauben weiterzugeben (Verkündigung), das Gedächtnis Jesu zu feiern, das heißt, gemeinsam zu beten, Gottesdienst zu feiern und die Menschen im Alltag sowie an den Knotenpunkten des Lebens zu stärken (Liturgie) und schließlich die konkrete Nächstenliebe im unmittelbaren Dienst am Nächsten spürbar und erfahrbar zu machen (Caritas/Diakonie). Zu diesen drei Grunddiensten der Kirche kommt noch ein vierter hinzu: Denn die Sendung und die Aufgabe der Kirche werden erst dann wahrhaftig verwirklicht, wenn die an Jesus Christus Glaubenden, also die Christen, dies alles in Gemeinschaft tun und auf eine Gemeinschaft hin entwickeln. Diese Grundvollzüge gehören untrennbar zueinander. Sie machen die Kirche aus. Fehlt ein Teil, bleibt die Kirche unvollständig. So gesehen gibt es keine Kirche ohne Caritas. Wenn sich der Glaube nicht in tätigen Werken, im Dienst am Nächsten, niederschlägt, bleibt er hohl. Umgekehrt sind auch die größten und professionellsten Werke keineswegs Ausdruck christlicher Nächstenliebe, wenn sie nicht vom Glauben getragen werden. Das heißt, es gibt auch keine Caritas ohne die Kirche. Manchmal scheint es aber, als habe sich die verbandliche Caritas von heute zu einer kirchlichen Zweitstruktur ausdifferenziert und sich von der Kirche in Teilen abgekoppelt. Umso wichtiger ist es, dass die katholische Ausrichtung der Caritas nicht zugunsten einer eher diffusen weltanschaulichen Ausrichtung verschwimmt. Die Caritas darf nicht Gefahr laufen, zu einem bloßen Sozialunternehmen, zu einem beliebigen professionellen Sozialdienstleister 125 Jahre Caritas Standpunkt Lesen Sie auf Seite II weiter. Dr. Elmar Pankau ist Vorsitzender des Geschäftsführenden Vorstands des Malteser Hilfsdienstes. Malteser Magazin 3/22 I WIR MALTESER IN DEUTSCHLAND Foto: Wolf Lux/Malteser

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