Malteser Magazin 04/2018

Malteser magazin • 4/18 aus der malteser welt 14 Ältere, einsame Menschen sollen durch Besuch und Begleitung aktiv werden, sich weniger einsam fühlen und dadurch länger gesund bleiben. Diesen Ansatz des Malteser Besuchs- und Beglei- tungsdienstes (BBD) unterstützt das Land Hessen zusammen mit den Pflegekassen in einem Pilotprojekt in Wiesbaden. Drei Jahre Zeit haben die Malteser, um mit wissenschaftlicher Begleitung durch die Hochschule Mainz zu zeigen, dass ihr Ansatz auch objektiv gegen die Einsamkeit von Älteren wirkt. In Wiesbaden engagieren sich 25 Frauen und Männer zusammen mit einem erfahrenen Leitungsteam ehrenamtlich. Zwischen 68 und 100 Jahren alt sind diejenigen, bei denen die Ehrenamtlichen mindestens einmal die Woche an der Tür klingeln. Rolf Bescht, stellvertretender Landesbeauftragter für Hessen, leitet seit mehr als zehn Jahren den BBD. Er sagt: „Wir können nicht zulassen, dass ältere Menschen, weil sie einsam sind, krank werden.“ Wie notwendig die Aufgabe ist, belegen auch Studien. Maike Luh- mann, Psychologie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum, sieht Menschen ab 80 am stärksten von Einsamkeit betroffen. „Wir schät- zen, dass circa 20 Prozent der Personen in dieser Gruppe sich zumin- dest manchmal einsam fühlen.“ Die Psychologin weiß: „Anhaltende Einsamkeit kann zu schwerwiegenden körperlichen und psychischen Problemen und sogar zu einer verringerten Lebenserwartung führen. Es ist also ein gesellschaftliches Problem.“ Hessens Minister für So- ziales und Integration, Stefan Grüttner, sieht das genauso. Sein Haus unterstützt das Modellprojekt mit 280.000 Euro, um Forschung zu för- dern, neue Konzepte zu entwickeln und eine hauptamtliche Mitarbei- terin zu finanzieren. Mit viel Einfühlungsvermögen gehen die Ehrenamtlichen des Malteser Besuchs- und Begleitungsdienstes auf einsame ältere Menschen ein. Foto: Tim Tegetmeyer Modell gegen Einsamkeit Hessen fördert und erforscht den Besuchs- und Begleitungsdienst „Unser Ziel ist, betroffenen Menschen einen Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen.“ In Wiesbaden le- ben gut sechs Prozent über 65 Jahren allein. Deutsch- landweit sind es noch etwas mehr. Tendenz steigend. Bescht, 71 Jahre alt, sieht die Malteser als Teil eines Geflechts, das sich der einsamen Älteren annimmt. Er lobt die Zusammenarbeit mit der Abteilung Altenarbeit der Stadt. „Nachdem die zu unterstützende Person zu- gestimmt hat, uns Adresse und Rufnummer zu geben, vereinbaren wir ein Gespräch zuhause." Beim ersten Be- such wird geschaut, ob die Chemie stimmt. Die Frauen und Männer des BBD gehen mit Einfühlungsvermögen auf die älteren Menschen ein. Sie bieten Raum für die persönlichen Bedürfnisse, die Lebensgeschichte und das aktuelle Befinden. Kleine Handreichungen im All- tag, ein Spaziergang ins Grüne, ein Besuch im Stadtcafé bereiten Lebensfreude und stimmen zuversichtlich. Die Helfer unterstützen so ein selbstbestimmtes Leben und schlagen eine Brücke in die soziale Welt. Wer ist einsam, wer nicht? Einsamkeit lässt sich nicht einfach definieren. Das Mo- dellprojekt konzentriert sich zunächst auf Senioren, die zuhause leben und keine Angehörigen mehr haben. „Aber auch diejenigen, deren Kinder nicht viel Zeit für die Eltern haben, können einsam sein“, so Bescht. Psy- chologin Maike Luhmann: „Einsamkeit ist nicht gleich Alleinsein. Davon sprechen wir erst dann, wenn Men- schen das Gefühl haben, dass Quantität und Qualität ihrer sozialen Beziehungen nicht ausreichen und sie unter einem Mangel an Zugehörigkeit leiden.“ Wo Einsamkeit die psychische und physische Gesund- heit bedroht, steigt oft die Pflegebedürftigkeit. Auch die Pflegekassen haben also Interesse daran herauszu- finden, wie dies verhindert werden kann. Wie müssen bestehende Angebote so ausgebaut werden, dass sie den wachsenden Bedarf decken und für zukünftige He- rausforderungen qualifiziert sind? Rolf Bescht sagt: „Es muss ein Netzwerk geben, das dafür sorgt, dass diese Menschen schnell Helfer finden, die ihnen Zugang zu den unterschiedlichen Angeboten ermöglichen.“ Um Wissen und Motivation hoch zu halten, laden die Malteser die Ehrenamtlichen alle drei Jahre zu einer mehrtägigen Fortbildung ein. Wie gut die Begleitung heute schon ist, wird im Modellprojekt durch Befra- gung des Klienten und des Ehrenamtlichen festgestellt. Beide müssen die Besuche ähnlich wertvoll einschätzen. Zudem ruft das Leitungsteam die Besuchten halbjähr- lich an und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Klaus Walraf

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